«Die Tür befindet sich im Inneren»
Diese etwas von vorneherein geheimnisumwitterte Inschrift ziert das Eingangsportal zur Kirche Sainte-Onenne (die «Gralskirche») im bretonischen Trehorenteuc (Departement Morbihan), am Rande des Waldes von Paimpont-Brocéliande. Autor der Inschrift ist Pfarrer Gillard. 1942 im Dorf angekommen, unternahm er, die etwas baufällige Kirche zu restaurieren, doch auf sehr eigentümliche Weise. Denn der Mann paßte nicht in das gewohnte Muster der kirchlichen Gepflogenheiten. Am Ende des Krieges wurde ihm dabei von zwei deutschen Kriegsgefangenen, einem Tischler und einem Maler, die ihm anvertraut worden waren, geholfen. Aus der Einrichtung und Ausschmückung seiner Kirche spricht eine sehr persönliche Auffassung der Religion, sprich: ein heidnisch-christlicher Synkretismus. Die Tafelrunde, das Tal ohne Wiederkehr, der Brunnen von Barenton, der weiße Hirsch mit der goldenen Kette: die gesamte Bilderwelt der Artus-Sage ist vorhanden, nebst einigen Bezügen zur Gesellenbruderschaft. Alles dreht sich um das Hauptsymbol: den Gral, dessen Bedeutung tief in die keltische, und darüber hinaus indogermanische Vorstellungswelt zurückreicht..
Denn der Kelch, den man gemeinhin «Gral» nennt, ist in Wirklichkeit der Zauberkessel mit dem Ewigkeitstrunk. Und dieser Trunk ist nichts anderes als das Blut. Die Gralssuche ist die Weitergabe des Blutkultes, und der Aneignungsversuch durch den Zisterzienser Robert de Boron im Mittelalter vermag, trotz all seiner Bemühungen, diese Tatsache nicht zu verbergen.
Indem er dem Passanten sagt: «Die Tür befindet sich im Inneren», erfüllt Gillard die Rolle eines Erweckers: Es geht darum, jeden und jede von uns zu einer heilsamen Introspektion anzuhalten. Nur, wenn wir in uns gehen, können wir die Lehren (wieder)finden, die wir so sehr brauchen. Heute mehr denn je.
Der Kampf, den wir führen, ist dazu angetan, der Welt-, Menschen- Lebens- und Geschichtsauffassung zu dienen, die die unsere ist. Zwar trägt dieser Kampf auch politische sowie soziale Aspekte. Doch das ist nicht das Wichtigste. Das Wichtigste ist eine Mystik, die tief in die Wurzeln unserer Identität greift. Es ist die Mystik des Blutes. Diese Mystik, welche in uns die Überzeugung nährt, daß der Hauptkampf, der Lebenskampf schlechthin, ein Kampf um die Seelen ist. Derjenige, ob Feind oder Freund, der das nicht verstanden hat, hat von dem, was wir wirklich sind, gar nichts begriffen. Das behaupten wir mit der Seelenruhe, die die Treue gibt. Denn wir wissen: Wenn alle untreu werden, so bleiben wir doch treu.
Die Fallstricke, die Schwierigkeiten und die Wunden, die wir auf unserem Weg erleiden müssen, vermögen gegen den Glauben, den wir in uns tragen, nichts auszurichten. Zumal diejenigen, die uns seit jeher den Weg vorgezeichnet haben, an unserer Seite mitmarschieren. Laßt uns doch auf die Stimme Dominique Venners hören: «Unsere Welt wird nicht von blinden Wissenschaftlern oder abgestumpften Schriftgelehrten gerettet werden. Sie wird gerettet werden von Dichtern und Kämpfern, von denjenigen, die das «magische Schwert» geschmiedet haben werden, von dem Ernst Jünger einst sprach. Das spirituelle Schwert, vor der Monster und Tyrannen erblassen. Unsere Welt wird gerettet werden von den Wächtern an den Schwellen des Königreiches und der Zeit».
Ihr Wächter des Heiligen Feuers und der Blutschale, seid mit brüderlichem Handschlag gegrüßtǃ
Pierre VIAL